Prognosen mit Potenzial
Erfolgreiches DE&I-Management braucht eine gute Datengrundlage und eine saubere deskriptive Analyse. Inzwischen werden Daten aber auch so verwendet, um Trends und Prognosen für die Zukunft zu berechnen. Es stellt sich die Frage, ob es sich lohnt den Aufwand zu betreiben und in datenbasiertes HR-Management und speziell Predictive Analytics zu investieren?
Studien zeigen, dass Organisationen von genauerer Personalplanung, besseren Geschäftsergebnissen und erhöhter Mitarbeitendenzufriedenheit profitieren können, wenn sie sich auf HR-datenbasierte Massnahmen stützen. Diese Vorteile sind nicht nur grossen Unternehmen vorbehalten, sondern stehen auch kleineren Firmen offen.
«Diversity in Technology» - Der Fall Intel
2015 startete Intel die Initiative "Diversity in Technology". Ziel der Initiative: Frauen, afro- und lateinamerikanische Menschen, und andere Minderheiten in der Technikbranche zu fördern. Daten zu Einstellungspraktiken, Beförderungen, Mitarbeitendenzufriedenheit und die Fluktuationsraten von unterrepräsentierten Gruppen wurden analysiert. Im Rahmen dieser Initiative konnten unbewusste Vorurteile in den Rekrutierungsprozessen identifiziert und eliminiert werden. Bereits Ende 2018 erreicht Intel die gesetzten Ziele - zwei Jahre früher als geplant!
Die Datengrundlage ist das Fundament für eine erfolgreiche DE&I Datenanalyse
Ein solches Projekt funktioniert allerdings nur, wenn gewisse Voraussetzungen gegeben sind oder geschaffen werden: Es braucht die für die Fragestellung relevanten Daten. Diese müssen ausreichend aktuell und zuverlässig sein – und idealerweise in einem einheitlichen Format und gesammelt in einem einzigen Tool vorliegen. Die Auswertung der Daten schliesslich braucht nicht nur Zeit und Ressourcen, sondern setzt Kompetenzen in Form von Fachwissen und Analyse-Skills voraus. Die Kennzahlen nützen wenig, wenn sie nicht richtig interpretiert werden. Hier fungiert HR als Übersetzer:in für die Daten, ist jedoch darauf angewiesen, von den entsprechenden Stakeholdern (Geschäftsleitung, HR-Business-Partner:innen, Linienverantwortlichen) in Entscheidungsprozesse eingebunden zu werden.
Eine Anleitung für eine erfolgreiche DE&I-Datenanalyse
- Fokus definieren: Ein erster Schritt besteht darin, zu definieren, welches Thema oder welche Fragestellungen im Fokus stehen sollen. Diese können sich aus der HR-Strategie ergeben oder auch von der Geschäftsleitung oder Führungskräften an das HR herangetragen werden.
- Daten sammeln: Diese finden sich oft in den Personalakten und bestehen u.a. aus grundlegenden demografischen Daten wie Geschlecht, Alter und Nationalität. Datenschutzgesetze (z.B. DSGVO der EU)) können es Unternehmen erschweren, sensible Daten über ihre Mitarbeitenden zu sammeln und zu verwenden. Besonders schützenswerte Persönlichkeitsmerkmale (wie ethnische Herkunft, sexuelle Orientierung oder eine Behinderung und andere relevante Diversitätsmerkmale) können ausschliesslich über Self-Disclosure – das freiwillige Offenlegen persönlicher Daten – erhoben werden. Hier muss aber besonders sensibel vorgegangen werden, um Mitarbeitende für diesen Schritt zu motivieren. Daten müssen anonymisiert und vertraulich behandelt werden und es braucht eine klare Kommunikation, für welche Zwecke die Daten verwendet werden. Daten zu Rekrutierung und Beförderungen, Fluktuationsraten, Daten aus Mitarbeitendenbefragungen und aus Lohnanalysen sollten ebenfalls gesammelt werden. Was oft auf den ersten Blick einfach erscheint, kann sich in der Praxis als schwierig erweisen, z.B. wenn die Daten aus verschiedenen Tools zusammengestellt werden müssen. Unvollständige oder inkonsistente Daten können zudem die Analysen verfälschen und zu falschen Schlussfolgerungen führen.
- Kennzahlen definieren: Allgemein sollten dabei die unterschiedlichen Diversitätsdimensionen beleuchtet werden in der Belegschaft, in Führungspositionen und evtl. ergänzend noch in speziellen Rollen (Profit-and-Loss, Personalverantwortung) oder auch nach Abteilungen (IT, Verkauf, Unterhalt). Die Kennzahlen sollten auch Schritte im HR-Prozess oder Auswertungen zu Inklusion (etwa aus Mitarbeitendenumfragen) beinhalten. Ganz wichtig: die Kennzahlen sollen helfen, Aussagen zum Thema oder der Fragestellung zu machen.
- Analyse von Daten und Trends: Vergleichen sie unterschiedliche Gruppen, um Ungleichheiten zu entdecken. Branchenspezifische Diversity Benchmarks können aufzeigen, wo Nachholbedarf besteht und, wo man die Vorreiterrolle einnimmt. Analysen über mehrere Jahre hinweg machen Trends sichtbar und sind oft ein guter Indikator, um zu sehen, ob gesetzte Massnahmen wirksam sind. Nicht ausreichend detaillierte Analysen können Ungleichbehandlungen verbergen: z.B. wenn ausländische Kaderfrauen bei Beförderungen stärker berücksichtigt werden und gleichzeitig ausländische Kadermänner benachteiligt werden, «verschwindet» die Ungleichbehandlung, wenn bei der Analyse alle ausländischen Kadermitarbeitenden «in einen Topf» geworfen werden. Daher empfiehlt bei der Analyse der Diversitätsdimensionen immer auch eine intersektionale Perspektive, also die Kombination zweier oder mehrerer Merkmale (z.B. Geschlecht und Nationalität).
- Ergebnisse zugänglich machen: DE&I-Berichte oder Dashboards sind zwei Möglichkeiten die Ergebnisse intern für das Management oder für externe Stakeholder zugänglich zu machen und Fakten zu schaffen. Die Herausforderung besteht hier oft darin, Daten und Kennzahlen so zu kommunizieren, dass diese für die unterschiedlichen Stakeholder klar verständlich sind. «Data is only useful as long as you are able to read it». Die sogenannte Datenkompetenz ist eine der Kernkompetenzen von professionellen DE&I-Fachpersonen. Sie müssen Kennzahlen verstehen und mit Geschäftsleitungen und Führungskräften diskutieren können.
- Massnahmen setzen und optimieren: Die Datenanalyse schafft eine objektive Grundlage, um strategische Schwerpunkte zu identifizieren. Gerade in Verbindung mit einem externen Branchenbenchmark können Kennzahlen Handlungsbedarf aufzeigen (z.B. die überdurchschnittlich hohe Fluktuation von Männern in Teilzeitpensum) und bieten die Möglichkeit, messbare Ziele zu definieren. Ausserdem tragen Auswertungen dazu bei, dass man Probleme frühzeitig bemerkt und gezielte Massnahmen ergreifen kann. Regelmässige Auswertungen mit einem Set an Kennzahlen (z.B. Diversity Scorecard) helfen, getroffene Massnahmen zu evaluieren und Fortschritte zu messen. Kennzahlen können dabei einen Motivationsschub geben, wenn sich erste Erfolge einstellen (z.B. wenn die Kennzahlen zur Rekrutierung ins Kader hinsichtlich Geschlecht ausgewogen sind, nachdem ein anonymisierte Bewerbungsverfahren eingeführt wurde).
Machen Sie HR Analytics zur strategischen Priorität
In Zukunft wird datenbasiertes HR-Management und speziell Predictive HR Analytics an Relevanz gewinnen. Wenn Sie auf HR Analytics setzen wollen, lohnt es sich, in finanzielle und zeitliche Ressourcen zu investieren. Dabei ist es entscheidend, sich zunächst zu überlegen, welche geschäftlichen Herausforderungen Sie mit HR-Daten angehen möchten. Ob es um die Reduzierung der Mitarbeiterfluktuation oder die Förderung von Diversität geht – definieren Sie klare Ziele und Kennzahlen, um den Erfolg Ihrer Massnahmen in Bereichen wie Mitarbeiterbindung, Zufriedenheit oder Rekrutierung zu messen. Nur mit qualitativ hochwertigen Daten können fundierte Entscheidungen getroffen werden.
Personen
Sylvia Hodek
Sylvia Hodek hat Theologie und Religionspädagogik an der Karl-Franzens-Universität in Graz (Österreich) studiert und später den Schwerpunkt Feministischer Theologie im Rahmen eines Fernstudiums vertieft. Durch ihre Tätigkeiten am Lehrstuhl für Pastoraltheologie der Universität Fribourg und am Schweizerischen Pastoralsoziologischen Institut (SPI) verfügt sie über vielfältige Berufserfahrung in empirischer Sozialforschung und Lehre. Ihre Diversity-Schwerpunkte liegen in den Themenfeldern Gender, Migration und Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Am CCDI unterstützt sie die verschiedenen Projekte, die Vorträge und Workshops sowie das HSG Diversity Benchmarking.